Ziggurat-Experiment
Das Spannende daran fand ja viel früher statt. Nämlich die Schulterpartie. Dafür habe ich mich erstmals intensiv mit der Ziggurat-Variante von Åsa Tricosa auseinandergesetzt. Und ich muss sagen: Soweit es die Schulter betrifft, ist das wirklich eine schöne Lösung.
Nicht nötig zu erwähnen, dass das Ding von oben nach unten gestrickt wird, oder? Und ich verrate vermutlich auch nicht zu viel von der Anleitung, wenn ich sage, dass verkürzte Reihen zum Einsatz kommen. Eine richtige Offenbarung allerdings, war ihre Art, die Randmaschen zu stricken. Das ergibt eine richtig schöne (falsche) Naht.
Und diese Variante hat sich auch beim Ausschnitt extrem gut bewährt. Da kämpft man ja gerne einmal damit, die Maschen für den Kragen so aufzunehmen, dass möglichst keine Löcher entstehen. Diese Sorgen hat man hier überhaupt nicht:
Eine Warnung ist allerdings angebracht: Diese Art der Schulterkonstruktion ist eigentlich nichts für Leute wie mich, die grundsätzlich keine Maschenprobe machen und eher nach dem Prinzip Pi mal Daumen verfahren. Denn die Armkugel sollte hier natürlich exakt da sitzen, wo sie hingehört; für nachträgliche Korrekturen ist hier, im Gegensatz zu einem Raglan, absolut kein Spielraum.
Trotz meines Laissez-faire-Umgangs mit der Maschenzahl ("Ich schlag mal so viel an, dass es ungefähr hinkommt") sitzt die Schulter in der Tat perfekt. Aber: Dann habe ich den Fehler gemacht, beim Rest nicht auf meinen Instinkt zu hören. Statt dessen habe ich mich nach dem Stillegen der Ärmel bei den Zunahmen an die Maschenzahl gehalten, die laut Anleitung zu meinen Schulter- und Rückenmaßen gehörte. Und - wenn schon denn schon - ich habe sogar versucht, den angegebenen Brustkeil einzuarbeiten. Beides ein böser Fehler. Das mit dem Brustkeil habe ich nach ein paar Reihen wieder aufgegeben, weil der einfach zu sichtbar war. Und der Rest erschien mir zwar arg weit, aber ich dachte: Na ja, dann sitzt es halt etwas lockerer. Macht ja nix.
Nachdem ich rund 15 Zentimeter unterhalb der Achsel gestrickt (und natürlich die Ärmel schon fertiggestellt) hatte, bin ich doch mal reingeschlüpft, und das ging gar nicht. Ich hab dann bis zu den Ärmeln aufgetrennt und jede Menge möglichst unsichtbarer Abnahmen gemacht, so dass es jetzt ganz gut hinkommt. So gut die Anleitung auch ist, es hat sich einmal mehr gezeigt, dass diese schematischen Größentabellen einfach oft keinen Sinn ergeben.
Und ich hatte es ohnehin mit erschwerten Bedingungen zu tun, denn das (höchst angenehm zu verarbeitende) Garn verlangte tatsächlich nach einer Drei-Millimeter-Nadel; selbst 3,25 mm hätten schon zu viel Transparenz verursacht. Ich bin ziemlich sicher, dass ich irgendwann einmal wenigstens zwei halbwegs brauchbare davon besessen habe. Aber, wie das Leben so spielt, war keine davon auffindbar. Das einzige, was ich zutage fördern konnte, war ein Uralt-Exemplar aus der Zeit als es die Dinger überhaupt nur von einer Firma (Prym?) und mit ständig geknicktem Plastikseil gab:
Das war bald dermaßen unzumutbar, dass ich zum (geschlossenen) Laden schlich und dort so lange an der Tür kratzte, bis mir geholfen wurde. Das war auch das einzige Mal, dass mich dieses Corona-Ding ernsthaft störte.
Von den acht Knäueln, die ich hatte, sind sage und schreibe noch drei übrig geblieben. Aber die Farbe lässt sich ja irgenwann auch noch gut mit anderen kombinieren. Und auch beim Pulli mache ich mir diesbezüglich keine Sorgen. Vorerst passt er schon mal ausgezeichnet zu dem Tuck-Schal, für den er gedacht war und zu einem Uralt-Rock aus den Achzigern, der die Farbenpracht vorzüglich ergänzt:
Garn:
- 246 g Rowan summerlite 4ply (100% Baumwolle), LL 175 m / 50 g, Farbe 432.
Eine Super-Kombi hast Du da im Handumdrehen geschaffen. So einen Rock hatte ich auch mal, allerdings ist der schon ewig den Weg alles Irdischen gegangen... Für diese Ziggurat-Geschichte (wann werde ich endlich mal dazu kommen????) eignet sich wahrscheinlich ein stinknormales Wollgarn am besten, da es einfach elastischer ist. Trotzdem, der Pulli ist toll; wird es Neuauflagen geben?
AntwortenLöschenMitte der Achziger in drei Farben für je fünf Mark gekauft! Zum Glück hatten die Dinger Gummizug ... Seither und immer noch die liebsten Sommerröcke.
LöschenIch kann mir durchaus vorstellen, diese Schultervariante noch öfter zu machen. Gelegentlich schadet es ja nicht, wenn's obenrum ganz klassisch aussieht. Trotzdem bleibt der Raglan meine Lieblingslösung, weil man da so herrlich wenig nachdenken muss.