Ein Hauch von Nichts

Wahrscheinlich haben viele von Euch diese Jäckchen schon mal gesehen oder sogar im Schrank: Sie sind halb transparent und die perfekte Ergänzung zu jedem ärmellosen Sommerkleid. Man kann sie offen tragen oder - noch besser - unter der Brust verknoten und ist damit immer gut angezogen. Schließlich ist mit fortgeschrittenem Alter eine schickliche Bedeckung der Oberarme nicht nur beim Besuch des Petersdoms angeraten. Und weil sie auch noch relativ preiswert und in vielen Farben erhältlich sind, habe ich über die Jahre ein halbes Dutzend davon angesammelt.


Zwar habe ich beim Kauf immer mal gedacht: Könnte man auch selber stricken. Aber allzu spannend ist das ja nicht - zu viel glatt rechts. Und weil die untenrum ziemlich weit werden, hat man auch noch mit endlos langen Reihen zu kämpfen. Also lieber (für vergleichsweise wenig Geld) kaufen!

Zwei Dinge haben mich dazu veranlasst, diese rigorose Haltung noch einmal zu überdenken. Zum einen die bestürzend hohe Anzahl an Lacesträngen im Stash, von denen sich einige gar nicht für Lacetücher eignen (meliertes Garn und Muster gehen einfach nicht zusammen). Und zum anderen die Tatsache, dass es mir in letzter Zeit an kleinen Mitnahmeprojekten mangelt. So eine luftige Nichtigkeit ließe sich nämlich auch im fortgeschrittenen Zustand gut in der Handtasche verstauen.

Gedacht, getan. Zur Klärung der spannenden Frage, ob ein einziger Lacestrang ausreicht, so ein Jäckchen zu duplizieren, durfte ein 800-Meter-Strang beitragen, dem ich 2016 beim Wollmarkt in Vaterstetten nicht widerstehen konnte. Die Färberin bleibt leider namenlos, weil sie außer den Angaben zum Garn nichts auf ihre Etiketten schreibt.


Das Original ist im 5-Teile-Schnitt gefertigt; das kam natürlich überhaupt nicht in Frage. Wenn schon Sisyphus-Arbeit, dann wenigstens ohne Zusammennähen! Und weil ich keine Lust hatte, das Experiment durch ausgetüftelte Schulterkonstruktionen zu verkomplizieren, blieb nur ein klassischer RVO.


Ich hab da nicht groß gerechnet. (Gar nicht!) Sondern einfach die Breite des hinteren Halsausschnitts vom Original genommen und von da an den Dingen ihren Lauf gelassen. Was sich hinterher nicht als gänzlich befriedigend herausstellte, aber davon später.

Das fertige Objekt erweist sich von den Maßen her als überraschend deckungsgleich mit dem Original. Ich habe mich allerdings sicherheitshalber für kurze Ärmel entschieden (Verbrauch pro Ärmel ca. 10 Gramm).


Befriedigend ist auch die untere Länge, die locker zum Binden ausreicht.


Soweit die guten Nachrichten. Nicht ganz zufrieden bin ich mit der oberen Hälfte der Vorderseite, da ist mir etwas zu wenig Gewebe. Das liegt zum einen an dem bereits erwähnten hinteren Halsausschnitt, der in Kombination mit dem Raglan etwas zu weit ist. Und zum anderen daran, dass sich der Rand ein wenig einrollt, obwohl ich ganz brav ordentliche Randmaschen gemacht habe. Fleißigere Handarbeiterinnen als ich würden das korrigieren, indem sie schnell eine Runde Krebsmaschen drüberhäkeln, aber ich werde es auch so tragen.

Der zweite Versuch ist bereits angeschlagen. Mit etwas weniger Maschen im Rücken und schlichten kraus rechten Maschen als Rand. Und zusätzlich werde ich an den Vorderteilen von Anfang an mehr Zunahmen machen.


Garn: 97 g No Name Handgefärbtes (100% Wolle), LL 800 m / 100 g.
Nadelstärke: 4,0 mm








Kommentare

  1. Ich trage keine Kleider und was mache ich nun? So ein Hauch von nichts ist soooo schön.
    lg
    Iris

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    1. Zur Not geht's auch über T-Shirts ... Und wenn's nur auf den Hauch ankommt, kann man so ein Teil ja auch einfach länger und weiter machen. Ich hab irgendwo noch einem Mantel aus Silkmohair, mit relativ großen Nadeln gestrickt. Der ist mir allerdings meist trotz Federgewicht zu warm ...

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  2. So einen Hauch von nichts könnte ich auch dringend brauchen.
    Mein Häkeljäckchen ist doch schon recht unmodern geworden.
    Die Farbe ist gigantisch.
    Das kommt auf meine Liste.
    L.G. Rita

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    1. So eine Allzweckjacke kann man immer brauchen! Die gekauften Vorbilder waren bei mir ziemlich oft im Einsatz. Vor allem weil man die auch gut tagsüber in die Handtasche stopfen kann, bis es abends kühler wird. Und in die Farbe bin ich auch heftig verliebt!

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  3. Der Rand rollt ein bisschen,hab ich gelesen und natürlich sofort an Krebsmaschen gedacht. Da musste ich gerade herzhaft lachen beim Weiterlesen... Ehrlich gesagt würde ich auf die Krebsmaschen auch verzichten, aber ich würde eine Reihe feste Maschen mit Perlen anhäkeln... Quasi für Stand und Glamour.... Und auf der Liste hab ich so ein Jäckchen schon lange und das Leinen dafür ist auch im stash..
    LG
    Sylvia

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    1. Dass Du da gleich an Perlen denkst, ist ja klar! Obwohl Du die meist weit schöneren Bestimmungen zuführst.
      Ich hab grade den Nacken mit einer Reihe fester Maschen verengt. Ob ich an den vorderen Rändern noch was mache weiß ich noch nicht. Auch wenn der Rand ganz ausgerollt ist, fehlen mir da noch ein, zwei Zentimeter. Ich schlafe da nochmal ne Nacht drüber ...
      Ich hab auch noch zwei schöne Leinen-Seidenmischungen von Dibadu, die sich als Jacke gut machen würden. Aber dann vielleicht doch mit einem anderen Schnitt und einem kleinen Muster, mal sehen.

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    2. Das Jäckchen ist total schön geworden. So etwas leichtes zum Drüberziehen braucht man einfach. Ich habe für meine Tochter mal die
      Simplicity von Mary Annarella gestrickt, die ist von der Form her ähnlich, auch im oberen Teil relativ weit offen. Aber Jana gefällt sie.
      LG
      Ingrid

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    3. Die Designerin kannte ich noch nicht, aber stimmt, das ist ein ähnliches Kann-man-immer-brauchen-Jäckchen. Vor allem, weil uns der Juli grade dran erinnert, dass bei uns Temperaturen über 25 Grad nicht die Norm sind ...

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  4. Ein tolles Jäckchen und das aus einem einzigen Strang - alle Achtung! Die Farbigkeit - auch wenn eher pinkig - gefällt mir ebenfalls, also alles richtig gemacht ;-) Mit der fehlenden Weite vorn bin ich auch an der Comodo-Jacke von Frau Susen gescheitert, hat sicher auch was mit dem Roll-Bedürfnis zu tun und ich fürchte, auch Krebsmaschen oder Krausgestrick können da nicht allzuviel ändern. Also wünsche ich Dir Glück mit dem zweiten Versuch und bin gespannt. Allein die Farben sind ja schon eher ungewöhnlich...
    LIebe Grüße
    Regina

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    1. Da musste ich doch glatt mal wider in meinen Comodo reinschlüpfen - stimmt: dem mangelt es oben auch an Stoff. Aber weil der ja sowieso als offen zu tragen konzipiert ist, hat mich das nie gestört. Dieses kleine Teil hingegen soll ja überwiegend verknotet werden und da wäre es schon nett, wenn die Brüste halbwegs drunter verschwinden. Nummer Zwo lässt sich mit mehr Zunahmen schon vielversprechender an. Ich muss nur sehen, dass ich das Garn an anderer Stelle wieder einspare, weil der Witz ja ist, das 800 Meter Limit einzuhalten.

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  5. dhana_kelandry@web.de25. Juli 2019 um 13:47

    So was könnte ich auch gebrauchen. Bis ich ein Jäckchen aus Lace gestrickt habe, würde ich gerne mal eins kaufen. Wo finde ich das denn? Irgendwie sehe ich das immer nur auf Bildern ohne Quelle, wo man es kaufen kann...

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