Sommerlicher Schwarzarbeiter


Die Fertigstellung meines letzten Sommer-Tops für dieses Jahr hat sich gefühlt ewig hingezogen. Aber ein paar ausgedehnte Fahrten im öffentlichen Nahverkehr haben den Prozess dann doch erheblich beschleunigt. Darf ich vorstellen: 'Summer' von Ankestrick.


Gearbeitet wird das Shirt von oben nach unten, die Schulterpartie entsteht durch verkürzte Reihen. Eine angenehme Konstruktion, die leicht nachzustricken ist. Die Anleitung ist auch gut geschrieben, allerdings etwas oberflächlich redigiert (gelegentlich ist von Zunahmen die Rede, wo Abnahmen stehen müssten). Da die Maschenprobe meines Garns vom Originalgarn abwich, habe ich eine Größe größer gestrickt und das ergab auch genau die gewünschten Maße. (Nicht dass ich eine Maschenprobe gestrickt hätte, ich habe mich einfach auf die Angaben auf der Banderole verlassen, das kommt bei mir für gewöhnlich genau hin.)

'El Linio' ist das perfekte Garn für alle, die Leinen normalerweise nicht gerne verstricken, weil es zu sperrig ist. Es ist nämlich sozusagen schon "vorgestrickt" (ein dünnes Bändchen). Das macht es zwar natürlich nicht kuschelweich (ist ja immer noch Leinen), aber die Haptik ist durch und durch angenehm, etwa wie bei weicherer Baumwolle. Die Färbung ist leicht unregelmäßig, was gut zu Garn passt; der Kontrast im richtigen Leben ist nicht so ausgeprägt wie auf dem Foto.

Da Frau Fadenkram schon in den Startlöchern sitzt, um das gleiche Garn zu verarbeiten, habe ich ausnahmsweise mal ganz genau gemessen, wie es sich vor und nach der Wäsche darbietet, damit keine unangenehme Überraschung auf sie zukommt.
 
Auf dem Etikett ist vermerkt: "Jede Wäsche gibt dem Leinen Geschmeidigkeit". Hm. Das wollte ich zunächst kaum glauben. Denn erst einmal hat sich das Gestrick beim Kontakt mit Wasser nämlich merklich zusammengezogen und fühlte sich härter an als vorher. Im feuchten Zustand war der Pulli dann auch in der Breite um ganze 10 Zentimeter geschrumpft und dafür drei Zentimeter länger. Und das, obwohl er, wie all meine kleinen Lieblinge nur im Nichtschwimmerbecken (sprich: Handwaschbecken) plantschen durfte. Aber nach dem Trocknen hat sich das Shirt wieder genau in die ursprüngliche Form zurückverwandelt und nach einem halben Tag am Körper hat es sich nur geringfügig ausgehängt: es ist einen Zentimeter länger, der dafür in der Breite abhanden gekommen ist.

Einen einzigen  Grund zu meckern gibt es aber doch: Die Art und Weise wie das Garn gewickelt (oder eher: nicht gewickelt) ist. Hat da die Marketing-Abteilung gesagt: "Lasst uns mal was besonders Cooles machen"? Die Wickelung besteht nämlich aus einem lockeren kleinen Nest:

Dass das nervig werden kann, wenn man das Knäuel nicht nur ansehen, sondern auch verarbeiten will, lässt sich beim Anblick schon erahnen. Auf der Banderole ist ausdrücklich vermerkt, dass man den Faden von innen nehmen und dabei die Banderole nicht entfernen soll. 

Zweifellos ein gut gemeinter Rat, der sich in der Praxis aber nur bedingt umsetzen lässt. Es fängt schon damit an, dass der Anfang innen nicht ohne weiteres zu finden ist und man erst mal ein paar Meter herausziehen muss. Und - der gesunde Strickerinnenverstand ahnt es bereits voraus - wenn das Knäuel zur Neige geht, bietet die Banderole natürlich irgendwann keinen Halt mehr. Obwohl ich seine Bewegungsfähigkeit maximal eingeschränkt habe und das Knäuel nur im Körbchen transportierte (ein Hoch auf große Handtaschen!), war irgendwann unweigerlich der Punkt erreicht, an dem es Garnspaghetti gab!



Trotz dieses kleinen Ärgernisses werde ich auf das Garn durchaus noch mal zurückgreifen, denn das Endprodukt überzeugt sehr. Ein wunderbar luftig-leichte Shirt, dass sich mit allem möglichen kombinieren lässt. Zum Beispiel mit dem heißgeliebten Schlabberjäckchen und dem weniger geliebten Schattenspiel ...



Garn:
350 g Schoppel El Linio (100% Leinen), LL 150 m / 50 g, Farbe: Schwarzarbeiter.

Nadelstärke 3,5 mm

Kommentare

  1. Oooh, danke Dir, genau das hatte ich jetzt bei all meiner einsamen Sockenstrickerei gebraucht: Aufmunterung für's Leinenbändchen!
    Dein Top ist einfach und schlicht und sieht so gut aus, ist neutral und universell tragbar und damit ein echtes Sommer-Talent. Das mit den "Knäulen" kann ich nur bestätigen, ich habe das nach dem ersten nervigen Versuch (zusätzlich erschwert durch Katzen-Spieltrieb) zu fein säuberlichen Törtchen gewickelt, die man am besten von außen abstrickt. EinTrost ist die für Leinen wirklich gigantische Lauflänge, finde ich.
    Liebe Grüße
    Regina Fadenkram

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    1. Ich hatte auch erwogen, sie zu wickeln, mich dann aber trotzig dagegen entschieden. Wo käme ich denn hin, wenn ich das bei Industriegarn auch noch anfangen würde! Mit den handgefärbten Strängen bin ich grade genug beschäftigt. (Die Entscheidung erleichtert hat mir natürlich auch, dass ich immer noch per Hand wickle. Meine Technikbegeisterung erstreckt sich eher auf digitale Gadgets ...)

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  2. Hallo,
    es ist Dir wieder ein ganz tolles Teil gelungen, Farbe und Garn - perfekt.
    Frage mich nur, wenn ich auf den Pullover schaue, wofür die verkürzten Reihen?
    Ist das für mehr Volumen im Vorderteil oder eher das die Schulter etwas gerundet ist.
    Sommer ist fast vorbei, dadurch noch für dieses Jahr stricken?
    Muss ich überlegen.
    Gerne sehe ich Dein neuen Modelle, alle haben das Gewisse Extra.
    beste Grüße
    Maya

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    1. Hallo Maya,
      vielen Dank, das Garn ist aber auch wirklich zu genial. Ich habe heute im Wollgeschäft schon nach den anderen Farben geschielt, mich aber grade noch zurückgehalten.
      Die verkürzten Reihen formen einerseits die Schultern und andererseits den vorderen Ausschnitt. Die Maschenzahl ist vorne und hinten gleich; da das Teil ja ohnehin auf extreme Weite angelegt ist, ist extra Volumen für den Vorbau hier nicht nötig.

      Liebe Grüße,
      Ute

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  3. Liebe Ute, ich finde das Garn besonders in diesem Anthrazit-/Schwarz sehr gelungen. Der einfache Schnitt und und glatte Maschen machen aus ihn einen absoluten Klassiker und Allrounder? Gefällt mir sehr!
    Viele liebe Grüße, Nora

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    1. Liebe Nora, danke. Genau die richtige schlichte "Unterlage" für die Tücher! Das Garn gibt's allerdings auch noch in einem schönen Altrosa, das ich auch Woche für Woche begehrlich betrachte. Aber von Pullis habe ich jetzt vorerst genug.

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  4. Jede Wäsche gibt dem Leinengarn Geschmeidigkeit?!? Da habe ich ja noch Hoffnung für meine Strickjacke. Ich sollte sie allerdings nicht tragen, sondern waschen!
    Die Anleitung für den Pulli steht bei mir auch noch in der Warteschleife, aber es schauen mich so viele Ufos vorwurfsvoll an.
    LG Monika

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    1. Bislang (zweimal gewaschen) stelle ich da keinen Unterschied fest. Aber wegen der Verarbeitungsweise war das ja auch schon vorher für Leinen ungewöhnlich weich.
      Ich habe mich diesen Monat verstärkt um die UFOs gekümmert und trotzdem kaum was fertig bekommen! Nächsten Monat fange ich definitiv wieder ein (oder drei!) neue Sachen an!

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